Aktuelles
Fachgesellschaften warnen vor "Nanoknife Technik" beim Prostatakarzinom
FRANKFURT, im April 2015. Unter dem Titel „Die neue Waffe gegen Prostatakrebs" berichtet das Wochenmagazin „Focus" in der Print-Ausgabe 5/2015 über eine neue Methode zur Behandlung des Prostatakrebses, bei der angeblich „mit ultrakurzen Stromstößen Tumorzellen zerstört werden können".
Die sogenannte „Irreversible Elektroporation" (IRE) oder auch "Nanoknife" sei eine „schonende" Methode, die beim Prostatakrebs Potenz und Schließmuskelfunktion nicht beeinträchtige und bei der „die Harnröhre ebenso erhalten bleibt wie die Erektionsfähigkeit", heißt es weiter in dem Artikel. Die Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) stellt klar, dass diese Hoffnung machende Werbung für eine „neue Technik im Kampf gegen Prostatakrebs" ungerechtfertigt und gefährlich ist, da der Wert dieser Behandlung noch völlig ungesichert ist.
„Zur Therapie von Prostatakrebs mittels dieser Methode finden sich in wissenschaftlichen Literaturdatenbanken lediglich 18 Publikationen. Diese beschreiben die technischen Grundlagen der Methodik oder Protokolle neuer Studien, die sich noch in Planung befinden", sagt Prof. Dr. med. Oliver Hakenberg, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Urologie und Direktor der Klinik für Urologie der Universität Rostock. „Lediglich zwei Arbeitsgruppen beschreiben kurzfristige Behandlungsergebnisse, aber auch nur bezüglich der Durchführbarkeit und der Häufigkeit kurzfristiger Behandlungsnebenwirkungen", so der Generalsekretär. Mittel- oder langfristige Ergebnisse zur Wirksamkeit und zu Nebenwirkungen liegen nicht vor.
„Niemand kann daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt irgendeine Aussage dazu machen, ob diese Methode überhaupt in der Lage ist, einen Prostatakrebs therapeutisch zu beeinflussen, noch viel weniger ist klar, ob sie anderen Behandlungsmethoden überlegen ist. Lediglich die denkbare, aber unbewiesene Vorstellung, dass diese alternative Therapie Prostatakrebszellen zerstören könne, darf keinesfalls Grundlage dafür sein, Patienten Hoffnungen zu machen", ergänzt Prof. Dr. med. Kurt Miller, 1. DGU-Vize-Präsident und Direktor der Urologischen Klinik der Charité, Berlin. Zudem ist diese alternative Behandlungsmaßnahme mit hohen Kosten verbunden, die aufgrund des gänzlich fehlenden Nutzennachweises nicht von den Krankenkassen getragen werden.
„Bei Neuzulassung eines Medikamentes gelten heute strengste Anforderungen an den Nachweis eines Nutzens durch Studien. Es muss sogar der ´Zusatznutzen' im Vergleich zu bestehenden Therapien belegt werden. Bei medizinisch-technischen Behandlungsverfahren ist das anders. Hier werden solche Ansprüche nicht eingefordert. Allein die technische Durchführbarkeit wird als ausreichend angesehen, um die Anwendung am Menschen zu erlauben", sagt Prof. Dr. med. Jürgen Gschwend vom DGU-Ressort Leitlinien und Qualitätssicherung und Direktor der Klinik für Urologie der Technischen Universität München.
Für die Experten der DGU steht fest: Die Problematik des Prostatakarzinoms mit möglichen Auswirkungen mancher Behandlungen auf die individuelle Lebensqualität darf nicht dazu Anlass geben, Hoffnungen zu wecken, die durch keinerlei Daten und Fakten gestützt werden. Eine seriöse Berichterstattung in den Medien sollte sich immer über ihre Wirkung im Klaren sein: Wie im hier kritisierten Fall könnten Patienten möglicherweise zu Therapien verleitet werden, die ihnen nichts nützen und bei denen ernsthafte Nebenwirkungen auftreten können. Noch fataler aber, wenn durch die mit falschen Hoffnungen verknüpfte Anwendung der Methode tatsächlich wirksame Behandlungen hinausgezögert werden und dann für manchen Patienten zu spät kommen.